Neue Ausstellung in der Stiftung Ahlers Pro Arte

Bilder

Das Lesen in der Kunst
Lek­tü­re­bil­der – Bildlektüre

Schon in den 1920er Jah­ren for­mu­lier­te Wal­ter Ben­ja­min die auch heu­te oft aus­ge­spro­che­ne Befürch­tung, das Buch sei tot und damit gehe eine Kul­tur­epo­che zu Ende, der die Gegen­wart nur Zer­streu­ung und Ober­fläch­lich­keit ent­ge­gen­set­zen kön­ne. Tat­säch­lich schei­nen die Kon­zen­tra­ti­on und Samm­lung, die das Lesen erfor­dert, in der digi­ta­len Ära kaum noch mög­lich, und das Buch wird durch neue Medi­en ersetzt.

Die von Cath­rin Klings­öhr-Leroy kura­tier­te Aus­stel­lung „Das Lesen in der Kunst. Lek­tü­re­bil­der – Bild­lek­tü­re“ wirft einen Blick zurück in die gol­de­ne Epo­che des Lesens, in der das Buch noch stän­di­ger Beglei­ter und in jeder Situa­ti­on parat war. Sie ver­sucht dar­zu­stel­len, was Lesen bedeu­tet und was die Maler an dem Motiv lesen­der Frau­en und Män­ner fas­zi­niert hat. Dazu geht sie nicht nur von Bil­dern, son­dern auch von lite­ra­ri­schen Tex­ten aus, die das Phä­no­men „Lesen“ ana­ly­sie­ren. Schrift­stel­ler und Phi­lo­so­phen beschrei­ben die Lek­tü­re als einen krea­ti­ven Akt, der die im Text ent­wor­fe­ne Welt jeweils indi­vi­du­ell nach­schafft und Gestalt anneh­men lässt. In die­sem Sin­ne sind die Dar­stel­lun­gen der Lese­rin­nen und Leser bestimmt von deren Ver­sun­ken­heit in den Text, von einer Fas­zi­na­ti­on durch das Buch, die der Fixie­rung des Malers auf sein Motiv entspricht.

Adolph Men­zel, Max Lie­ber­mann, Augus­te Renoir, Lovis Corinth, Pablo Picas­so, Erich Heckel, August Macke, Max Beck­mann, Albert Mar­quet und vie­le ande­re haben Lesen­de gemalt. Ihre Bil­der üben eine beson­de­re Anzie­hungs­kraft auf den Betrach­ter aus. Denn die Maler erfas­sen den Zustand der „kon­trol­lier­ten Ent­rückt­heit“ der Lesen­den mit immer neu­en bild­ne­ri­schen Mit­teln und zei­gen einer­seits das Indi­vi­du­um seit der Epo­che der Auf­klä­rung in zuneh­men­der geis­ti­ger Unab­hän­gig­keit, ande­rer­seits die Inti­mi­tät und Pri­vat­heit, die sich im Akt des Lesens kon­sti­tu­ie­ren, als einen pri­vi­le­gier­ten, geschütz­ten Raum.

In der Aus­stel­lung geht es jedoch nicht nur um Bil­der vom Lesen, son­dern es geht auch um das Lesen von Bil­dern, die Buch­sta­ben als Form­ele­men­te abs­trak­ter oder auch gegen­ständ­li­cher Dar­stel­lun­gen nut­zen oder die die Ges­te des Schrei­bens mit der des Zeich­nens, Malens oder Krit­zelns in eins fal­len las­sen. Mit Wer­ken von Alber­to Gia­co­metti, Paul Klee, Jac­ques Vil­leglé, Gri­sha Bruskin, Ivan Chui­kov, Svet­la­na Kopy­s­ti­an­sky, Bea­te Pas­sow oder Wil­liam Ken­tridge wird der Fra­ge nach­ge­gan­gen, wie das Lesen funk­tio­niert: Wie ver­bin­den sich Wort und Bedeu­tung, Zei­chen und Bezeich­ne­tes zu der die Lese­rin­nen und Leser in ihren Bann zie­hen­den Visi­on? Bei der Betrach­tung die­ser Wer­ke ver­dich­tet sich die Gewiss­heit, dass das Ent­zif­fern der Buch­sta­ben und das Ver­ste­hen der Wör­ter nicht rei­chen und dass das Wesent­li­che zwi­schen den Zei­len steht.

Aus­stel­lung vom 28. Sep­tem­ber bis 15. Dezem­ber 2019
Sams­tag und Sonn­tag 12 bis 17 Uhr | Füh­run­gen jeden Sams­tag 15 Uhr
Stif­tung Ahlers Pro Arte | Herford-Elverdissen